Lichtenstein/Limbach-Oberfrohna. Wenn der Name Martin Luther erklingt, denken viele Menschen wahrscheinlich zuerst an den Bibelübersetzer, der die moderne, deutsche Sprache wie kein anderer geprägt hat, oder an den Mann mit den markigen Sprüchen, die als Zitate schon so manche, sonst langweilige Rede gerettet haben. Außerdem sind zahlreiche Kirchen nach ihm benannt. Darüber hinaus sind von ihm Lieder wie zum Beispiel „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, „Verleih’ uns Frieden gnädiglich“ oder „Ein feste Burg ist unser Gott“ überliefert. Doch wussten Sie, dass der Reformator der Kirche ebenso Komponist wie auch Musikkenner war?
Dieser Frage nahmen sich das Sächsische Blechbläser Consort (nachfolgend: SBC) sowie das Sächsische Klarinettenensemble (nachfolgend: SKE) am 31. Oktober in Lichtenstein/Sa. sowie am 12. November in Limbach-Oberfrohna an und gedachten des Anschlages der 95 Thesen in Wittenberg vor 500 Jahren.
Im Rahmen dieses besonderen, in der Form erstmals stattfindenden Doppelkonzertes schlugen das traditionsreiche, über die Grenzen des Freistaates bekannte Holzbläserensemble (SKE) und der Gewinner des Deutschen Orchesterwettbewerbs 2016 (SBC) mit einem abwechslungsreichen Programm die Brücke von der damaligen Reformationszeit bis hin zur Gegenwart. Denn hätte Martin Luther die Kirchenmusik nicht etabliert und damit für das breite Volk in verständlicher Sprache zugänglich gemacht, wären die Ergebnisse der Schaffenskraft von zahlreichen, nachfolgenden Komponisten wohl wesentlich farbloser ausgefallen.
Mit derartigen Gedanken und kurzweiligen Anekdoten zur Musikalität Luthers führte der organisatorische Leiter des SBC, Christian Sellien, an beiden Konzertnachmittagen durch das Programm. Den ersten Konzertteil füllten die insgesamt 13 KlarinettistInnen mit ihrem klanglich umfangreichen Instrumentarium von Es- bis Kontrabassklarinette aus. Gleich mit dem ersten Werk „Concerto in C“ von Antonio Vivaldi in einer Bearbeitung für zwei Solotrompeten wurde dem Publikum unmittelbar die Verbindungsmöglichkeit beider Instrumentengruppen aufgezeigt. Es erklangen nachfolgend Werke wie die Ouvertüre aus der Suite „Masque et Bergamasque“ von Gabriel Fauré, welcher seines Zeichens ebenso Schöpfer von Vokalmusik war, sowie zwei Sätze aus der Ballettmusik „Rosamunde“ von Franz Schubert. Schließlich rundeten drei Sätze aus der „Puerto Rican Suite“ (Rafael Fernández) sowie die „Ungarischen Impressionen“ (Jan van der Roost) den Beitrag des SKE ab.
Zur Zeit Luthers hatten seine Kirchenlieder bei der Verbreitung der neuen Lehre auch eine ganz praktische Funktion. Sie waren in ihrer Eingängigkeit das beste Medium, um die neuen und revolutionären Gedanken überall bekannt zu machen. Die Lieder der Reformationszeit, die u.a. auch durch umherfahrende Spielleute verbreitet wurden, waren um 1525 etwa das, was Twitter und Facebook heute sind. Hierzu sei die Anekdote eingestreut, wonach eine Schweinfurter Gemeinde 1532 während einer Messe mit „Ein feste Burg ist unser Gott“ einen katholischen Priester niedersang. Dasselbe vollzogen Göttinger Handwerker, welche eine „Kyrie eleis“ singende Fronleichnamsprozession mit „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ bis zur Unhörbarkeit übertönten. Wie Letzteres damals ausgesehen haben muss, wurde zum Abschluss der ersten Konzerthälfte nach anfänglicher Schüchternheit des Publikums nahezu erfolgreich simuliert.
Beide Male nach frenetischem Applaus und einer Zugabe übergab das SKE den musikalischen Staffelstab an die MusikerInnen des SBC für den zweiten Konzertteil, welche sogleich mit dem von Christian Sprenger als freudige Fanfare arrangierten Choral „Nun danket alle Gott“ für eine vollkommen andere Klangfarbe in der Lutherkirche des jeweiligen Ortes sorgte. Einer großen, musikalischen Herausforderung stellte sich das SBC anschließend mit dem bekannten 1. Satz des „3. Brandenburgischen Konzerts“ (BWV 1048) von Johann Sebastian Bach sowie der an der venezianischen Mehrchörigkeit orientierten „Canzona XVI“ von Giovanni Gabrieli.
„Musica ist eine halbe Disziplin und Zuchtmeisterin, so die Leute gelinder und sanftmütiger, sittsamer und vernünftiger macht.“, sagte Luther einmal und betonte wie keiner vor ihm den pädagogischen Wert der Musik. Er sah die Musik als unabdingbaren Bestandteil der schulischen und universitären Ausbildung. Jeder Schullehrer sollte seiner Ansicht nach singen können, und auch ein Pfarrer sollte theoretische und praktische Fertigkeiten in der Musik mitbringen. In Zeiten, in denen das Schulfach Musik immer weiter aus den Bildungsplänen heraus gedrängt wird, wäre es sicherlich gut, wenn sich in dieser Hinsicht öfter wieder auf Luther besinnt würde.
Überraschenderweise mochte Luther sowohl Pauken als auch Trompeten nicht. Das sei „himmlisches Feldgeschrei“. Warum Luther Blechblasmusik nicht mochte, konnten die MusikerInnen des SBC nicht verstehen und tauchten mit einem Augenzwinkern mit Gartenschlauchtrompeten spielend auf die Bühne, welche das Quäken und Schreien der damaligen Instrumente imitierte.
Das Programm wurde schließlich mit der sich an der Renaissance orientierenden „Capriol-Suite“ (Peter Warlock) sowie mit „Bond Street“ aus der „Fats Waller Suite“ beschlossen. Auch beim SBC forderte das Publikum sogar zwei Zugaben ein und trat sichtlich begeistert seine Heimreise an.
Der Verein bedankt sich bei den insgesamt über 500 Zuschauern, den beiden Kirchgemeinden der Lutherkirchen Lichtenstein/Sa. und Limbach-Oberfrohna, dem Sächsischen Klarinettenensemble sowie den Sponsoren des Architekturbüro Wende aus Lichtenstein/Sa., der Ebehako Elektrotechnik aus Zwickau und unserem langjährigen Partner Ricco Kühn Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumentenbau aus Oederan.
Traditionell zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr steht für das SBC die mittlerweile 10. Sächsische Blechbläserweihnacht als nächstes Konzertprojekt vor der Tür, bei der auch in diesem Jahr erneut der Engländer Prof. Bryan Allen wie auch schon beim Herbstprojekt „Luther und die Musik“ die musikalische Leitung inne hat.
Christian Sellien & Thomas Schneider (VSB e.V.)
Besetzung “Luther und die Musik”:
Künstlerischer Leiter/Dozenten:
Prof. Bryan Allen
Ekkehard Hauenstein
Uwe Voigt
Trompeten:
Christian Sellien
Anna Franke
Kai Ermisch
Moritz Angermann
Hörner:
Robert Hanspach
Manuel Moser
Posaunen:
Maximilian Köhne
In Ho Son (Limbach-Oberfrohna)
Torben Friedrich (Lichtenstein/Sa.)
Thomas Fröhlich (Lichtenstein/Sa.)
Detlef Mattaj (Limbach-Oberfrohna)
Steffen Käppler
Tuba:
Sören Hofmann
Schlagwerk:
Thomas Schneider
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